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Der Klang einer Hand

Der Klang einer Hand

Der Meister des Kennin-Tempels wurde Stiller Donner Mokurai genannt.

Sein junger Schüler Toyo, der noch ein Kind war, beobachtete, wie die älteren Schüler täglich zum Zimmer des Meisters kamen, um Anleitung in Sanzen zu erhalten. Dieses persönliche Coaching beinhaltete Koans, die dazu dienten, das Wandern der Seele zu stoppen. Auch Toyo wollte Sanzen praktizieren.

So ging er zu Mokurai und fragte ihn, ob er anfangen könne, auch von ihm zu lernen.

Mokurai sagte: "Warte noch eine Weile, du bist noch zu jung." Doch Toyo bestand darauf, er ließ sich nicht abbringen. Nach einigen Tagen gab schließlich Mokurai nach.

Toyo kannte durch das Beobachten den Ablauf und ging am Abend zur festgelegten Zeit zur Schwelle von Mokurais Sanzen-Zimmer. Er schlug den Gong, um seine Anwesenheit zu verkündigen. Toyo verbeugte sich dreimal respektvoll vor der Tür, setzte sich schweigend hin und wartete auf den Meister. Als Mokurai herauskam, sagte er: "Du kannst den Klang von zwei Händen hören, wenn sie zusammen klatschen. Zeige mir jetzt den Klang einer Hand."

Toyo verbeugte sich und ging zurück in sein Zimmer, um über das Rätsel nachzudenken. Vom Fenster aus hörte er den Gesang von Geishas. "Ah, ich habe es!" verkündete er. Am nächsten Abend ging er zum Meister und sagte: "Ich möchte dir den Klang einer Hand demonstrieren" und begann, den Gesang der Geishas zu imitieren. Mokurai lächelte: "Nein, nein, Bub, das ist nicht der Klang einer Hand."

Toyo dachte, dass solcher Gesang störend sein könnte, und zog sich an einen ruhigen Ort zurück, um zu meditieren. "Was kann der Klang einer Hand sein?" dachte Toyo und meditierte für 3 Tage, dabei hörte er, wie Wasser vom Dach tropfte. "Das muss es sein", dachte Toyo. Am nächsten Abend ging er zum Meister und sagte: "Ich weiß es jetzt" und ahmte das Tropfen von Wasser nach. "Was ist das?" fragte Mokurai. "Das Geräusch von tropfendem Wasser", erwiderte Toyo. Der Meister sagte: "Ja, ist es, doch nicht der Klang einer Hand. Versuche es nochmal. Geh jetzt und meditiere."

Toyo meditierte weiter und ging auf den Berg, wo er das Rauschen des Windes hörte, doch auch dieser Vorschlag wurde vom Meister abgelehnt.

So ging er in den Wald und hörte den Ruf einer Eule, doch dies war es auch nicht.

Toyo meditierte auf der Wiese und hörte das Zirpen der Zikaden, doch auch dies wurde vom Meister verworfen.

Er meditierte am Fluss und dachte, dies muss es doch sein, doch der Klang des Flusses war es auch nicht.

Nach einer langen Zeit und vielen Versuchen, wie der Klang einer Hand sein könnte, betrat Toyo die wahre Meditation und transzendierte alle Klänge. Es wurde ihm bewusst, was wirklich war.

Erneut ging er zu Mokurai. Mokurai sah Toyo an und fragte: "Was hast du diesmal entdeckt?" "Ich konnte nicht mehr Klänge sammeln, also erreichte ich den klanglosen Klang", antwortete Toyo. Der Meister blickte zu Toyo und sprach: "Wahrhaftig hast du den Klang einer Hand erkannt."


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