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Der Geschmack der Zukunft

Ein Schüler fragte den Meister Weizhen:

„Meister, wenn ich heute Fleisch esse, ist das dann schlecht? Das Tier wurde ja nicht für mich getötet.“


Der Meister antwortete nicht sofort. Stattdessen führte er den Schüler zu einem stillen Teich im Wald. Sie setzten sich ans Ufer. Der Meister warf einen Stein ins Wasser und sprach:

„Schau auf das Wasser. Du hörst nur den Platsch. Doch sieh genau hin – die Kreise breiten sich aus, lange nachdem der Stein gesunken ist. Bis zu uns zurück.“


Der Schüler nickte still.


Weizhen fuhr fort:

„Zeit ist kein Fluss, der von der Quelle zur Mündung fließt. Sie ist wie dieser Teich. Alles, was du hineingibst, breitet sich in alle Richtungen aus – nach vorne, nach hinten, nach innen und außen.“


„Wenn du jetzt Fleisch isst, geschieht das Töten nicht nur in der Vergangenheit – du erzeugst es auch in der Zukunft. Deine Handlung ruft nach Wiederholung. Weil du es verzehrst, entsteht Bedarf. Und so wird ein Tier in der Zukunft getötet – für deinen Bedarf in gegenwärtigkeit zu decken.“


„So trägst du auch im Jetzt Verantwortung für das Tier der Vergangenheit – denn deine Entscheidung bestätigt die Kette, die in beide Richtungen reicht.“


Der Schüler schaute den Meister an und fragte leise:

„Aber ich habe es doch nicht selbst getötet?“


Der Meister erwiderte:

„Vielleicht nicht mit deiner Hand. Doch du hast die Klinge geschärft, die verwendet wurde.“


Der Schüler senkte den Blick.

„Also darf ich nie wieder Fleisch essen?“


Der Meister antwortete ruhig:

„Ich sage dir nicht, was du tun sollst. Aber ich zeige dir, was ist. Wenn du isst, erkenne, was du nährst – in dir und in der Welt.“


Weizhen blickte in den Himmel und sprach:

„Jeder ist so weit, wie er ist – auf dem Weg der Kultivierung.“


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