Die Frau mit der Eisenstange
- Gongan - Koans
- 8. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Zhēnwǔ 真武 hatte sich auf den Weg des Dao gemacht. Seit Jahren lebte er in Einsamkeit auf dem Wǔdāng-Berg. Er aß wenig, sprach selten und praktizierte im Stillen.
Die Kiefern über ihm flüsterten das Dao. Die Tiere der Wälder folgten ihm schweigend.
Doch in seinem Herzen wuchs ein Schatten:
„Ich spüre nichts. Keine Klarheit. Keine Wandlung.Die Jahre vergehen, doch meine Seele bleibt wie ein See mit Wellen.Vielleicht bin ich nicht geeignet.Vielleicht führt dieser Weg ins Leere.Oder ist es nur dieser Ort?“
Eines Morgens beschloss Zhēnwǔ, den Berg zu verlassen. Er nahm nur wenig mit – und machte sich auf den Weg.
Am Fuße des Berges sah er eine alte Frau.Sie hockte auf einem Felsen und rieb eine dicke Eisenstange an einem Schleifstein.
Zhēnwǔ fragte:„Was tust du, alte Mutter?“
Sie lächelte, ohne aufzublicken:„Ich schleife diese Eisenstange zu einer Nadel.Meine Tochter wird heiraten. Ich will ihr ein schönes Hochzeitskleid nähen – dafür brauche ich eine gute Nadel.“
Zhēnwǔ runzelte die Stirn:„Eine Nadel aus dieser Stange? Du könntest eine kaufen. Warum diese Mühe?“
Die Frau antwortete ruhig:„Eine gekaufte Nadel ist eine Nadel.Aber eine, die durch stetiges Schleifen entsteht, ist eine Nadel aus Klarheit.Ich weiß nicht, wie lange es dauert.Aber wenn ich weiter schleife, wird es eine gute Nadel.“
In Zhēnwǔs Herz wurde es plötzlich still.Ein Wind fuhr durch seine Gedanken und trug seine Zweifel fort.Klarheit kehrte ein.
Er verneigte sich tief.Als er aufsah, war die Frau verschwunden.Nur der Schleifstein blieb – und eine feine Metallspitze darauf.
Man sagt, es war Tài Shàng Lǎo Jūn 太上老君 gewesen.
Andere sagen, es war das Dao selbst.
Zhēnwǔ kehrte zurück auf den Berg.
Sein Herz blieb noch lange still –
doch er fragte nie wieder nach Fortschritt.
Denn nun wusste er:
Wer schleift, wird verwandelt.
Auch wenn man es nicht immer selbst sieht –
ist die Wandlung da, wenn die Praxis da ist.

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